Verschiedene Standpunkte zum Neustart der Kreuzfahrt in Bremerhaven

Das Columbus Cruise Center Bremerhaven
Das Columbus Cruise Center Bremerhaven

In Bremerhaven scheiden sich die Geister über die Corona-Konzepte der deutschen Kreuzfahrtreedereien. Während Prof. Dr. Dr. Alexis Papathanassis, Hochschullehrer für Cruise Tourism Management an der Hochschule Bremerhaven, zur Vorsicht mahnt und die bestehenden Möglichkeiten zur korrekten Umsetzung der Konzepte kritisiert, ruft Oberbürgermeister Melf Grantz (SPD) dazu auf, die „durch die Corona-Pandemie entstandenen Einbrüche“ in Bremerhaven schnellstmöglich zu beheben.

Transparenzhinweis: Wir haben in Bremerhaven Cruise Tourism Management studiert und somit auch die Vorlesungen von Alexis Papathanassis besucht. In diesem Beitrag wollen wir beide Seiten beleuchten und mehr als sonst unsere subjektive Einschätzung dazu abgeben.

In den vergangenen Tagen hat sich Alexis Papathanassis in mehreren Medien zum Neustart der deutschen Kreuzfahrtanbieter TUI Cruises und AIDA Cruises geäußert. So auch in der Nordsee-Zeitung vom 24. Juli (hier online in einer stark verkürzten Version). Er werfe den Reiseveranstaltern „mangelnde Transparenz und eine schlechte Kommunikation“ vor, heißt es in dem Artikel. Er gibt zudem zu Bedenken, dass die 10-Punkte-Pläne der Reedereien eher der Beruhigung der Passagiere dienten, die Besatzungen noch nicht ausreichend geübt im Umgang mit den neuen Protokollen seien und die Reisen unter diesen Bedingungen nicht rentabel durchzuführen seien. Somit sieht Papathanassis das Risiko als zu hoch im Vergleich zum Nutzen für die Reedereien an.

Das hat Melf Grantz (SPD) zum Anlass genommen, die Reedereien in ihrem Vorgehen zu verteidigen. Er wirft Papathanassis in einer Pressemitteilung vor, die Reisen als „riskant“ bezeichnet zu haben. Melf Grantz weiter: „Herr Professor Papathanassis scheint seine Kompetenz zu überschreiten, wenn er behauptet, von den Reedereien aufgestellte Hygienepläne dienten mehr der Beruhigung. Diese Pläne sind von verantwortungsvollen Gesundheitsbehörden in der Bundesrepublik Deutschland genehmigt worden und seien mit großer Sicherheit keine Placebo-Beruhigungspillen.“

Wir persönlich halten diese letzten Sätze für Quatsch. Zunächst sind auch deutsche Gesundheitsbehörden nicht unfehlbar und haben mit der Erstellung und Umsetzung von Corona-Protokollen an Bord von Kreuzfahrtschiffen ebenso viel Erfahrung wie die Reedereien, Alexis Papathanassis und alle anderen – nämlich keine. Zudem kritisiert Papathanassis nicht die Inhalte der Konzepte, sondern deren Umsetzung in der Praxis durch die Besatzung. Es fehle an ausreichend Zeit für Testphasen. 

Und das ist tatsächlich so, denn die Besatzungsmitglieder kommen erst 14 Tage vor den ersten Reisen vor Ort an und müssen, wie zum Beispiel im Fall TUI Cruises, zunächst in die Quarantäne. Somit bleibt nur wenig Zeit, die Crew mit den neuen Anforderungen an sie vertraut zu machen geschweige denn praktische Übungen durchzuführen.

Der Professor spricht zwar auch von einem Risiko, aber immer von einem solchen für die Kreuzfahrtanbieter: Sie können mit den neuen Reisen kaum Geld verdienen, gehen aber das Risiko eines Corona-Ausbruchs an Bord und einem möglichen folgenden PR-Desaster ein. Zum Infektionsrisiko auf einem Kreuzfahrtschiff äußert sich Papathanassis nicht.

Letztlich wird Grantz’ Motivation in der Pressemitteilung sehr deutlich: „Bremerhaven ist als Standort für den Kreuzfahrttourismus in den vergangenen Jahren ausgesprochen erfolgreich gewachsen. Die durch die Corona-Pandemie entstandenen Einbrüche sollten nach Meinung von Melf Grantz gemeinsam mit allen Beteiligten so schnell wie möglich behoben werden.“ Damit will er genau jenes Risiko eingehen, dass Papathanassis bei den Reedereien wie oben beschrieben kritisiert.

Sehr schade finden wir vor allem, dass Grantz mit seiner Pressemitteilung seine eigene Stadt angreift. Nicht nur, dass er als Oberbürgermeister der Seestadt eigentlich hinter einer Institution wie der Hochschule stehen sollte, er provoziert auch einen Imageschaden. Und weder die Hochschule Bremerhaven, Prof. Dr. Dr. Papathanassis noch die Seestadt haben das verdient.

Wir hätten uns sehr gefreut, hätte Grantz das Potential seiner Stadt erkannt und sich den Experten an die Seite geholt. So hätten Hochschule und Stadt gemeinsam Konzepte zur Wiederbelebung der Kreuzfahrt in Bremerhaven erschaffen können. Aktuell ist die Seestadt nämlich der einzige Kreuzfahrthafen, der nicht für die Cruises to Nowhere genutzt wird.

Schlauer wäre es vor dem Hintergrund der Pandemie aus unserer Sicht also, Bremerhaven würde die Krise als Chance begreifen und sich für die Zukunft mit einem durch Corona veränderten (See-)Tourismus wappnen. Denn die Attraktivität des Urlaubs auf See wird von keinem der beiden in Frage gestellt.